19. Jh bis heute

entnommen aus den Webseiten des Michael Müller Verlages


Der Niedergang der Monarchie
Portugals wirtschaftliche Lage war durch den Wegfall des reichen Brasiliens hoffnungslos geworden; die Auswanderungsquote von Portugiesen nach Übersee wuchs im Laufe des 19. Jh. beständig. Die alten Machteliten wurden nach und nach vom neureichen Großbürgertum abgelöst, das durch die Enteignung der Kirche von deren enormen Grundbesitz profitierte und durch Bodenspekulation große Reichtümer an sich raffte. Eine weitere Verschärfung der sozialen Gegensätze war die Folge. Die Krone spielte das Spiel mit, und das Land versäumte die für die Nationalstaaten des 19. Jh. unerlässliche industrielle Entwicklung.
In der ersten Hälfte des 19. Jh. erschütterten immer wieder Verfassungskämpfe und bürgerkriegsähnliche Zustände das Land. Die alteingesessenen Eliten konnten ihre Machtposition jedoch noch wahren. Die zweite Hälfte des Jahrhunderts wurde von bürgerlichen Politikern geprägt, die guten Verdienst in der Staatspolitik witterten. Doch zur wirtschaftlichen Gesundung des Landes trug der Trend zum Republikanismus nicht bei. Die Staatsverschuldung wuchs und wuchs, niemand unternahm etwas dagegen, der Zustand wurde allgemein als chaotisch betrachtet. Unter König Carlos I. (1889 1908) musste das Land 1892 schließlich den Staatsbankrott erklären.
Der Ruf nach einem starken Mann, der Ordnung in das Durcheinander bringen sollte, wurde nun immer lauter. Neuer Hoffnungsträger der Monarchisten wurde der Ministerpräsident João Fernando Pinto Franco; zur Stützung der Krone errichtete er 1907 eine Diktatur. Doch der Widerstand gegen das Königshaus durch die Republikanische Partei wuchs. Am 1. Februar 1908 wurden König Carlos I. und sein ältester Sohn, der Thronfolger, in Lissabon auf der Praça do Comércio in ihrer Kutsche erschossen. Der jüngere Sohn bestieg unvorbereitet den Thron, Manuel II., doch die Monarchie war nicht mehr zu retten.
Am 3. Oktober 1910 nahm die Revolution ihren Anfang, ausgelöst durch die Ermordung des angesehenen Republikanerführers Dr. Miguel Bombarda durch einen offensichtlich Geisteskranken. Am Morgen des 5. Oktober wurde vom Balkon des Lissabonner Rathauses die Republik proklamiert, deren erster Präsident Teófilo Braga war. König Manuel II., der gerade in Mafra weilte, floh über Ericeira ins Exil nach England.


Die Republik
Die Republik erfüllte nicht die in sie gesetzten Hoffnungen. Eine Unzahl von Splitterparteien sah den Hauptzweck der Politik darin, sich bis aufs Messer zu bekämpfen. Einig war man sich nur im Kampf gegen die katholische Kirche und gegen die Monarchie. Doch zumindest der Staatshaushalt war bis 1914 ausgeglichen und ein Großteil der Bevölkerung stand hinter der Republik.
Auf Bitte Englands hin beschlagnahmte Portugal 1916 mehrere deutsche Schiffe, die in portugiesischen Häfen ankerten. Daraufhin erklärte Deutschland Portugal den Krieg. Es wurde ein Expeditionscorps zusammengestellt, das 1917
in Frankreich kämpfte und vernichtend geschlagen wurde. Die Folge des Kriegs war eine große Lebensmittelknappheit in der Heimat, die sogar zu Hungersnöten führte. Die Verluste erhöhten den Widerstand gegen den Krieg und 1917 putschte die Armee unter Sidónio Pais; eine Militärregierung wurde gebildet, die sich aber nur ein Jahr im Amt halten konnte.


Der Militärputsch vom 28. Mai 1926
Die Republik konnte sich nicht konsolidieren. In ihrem 16-jährigen Fortbestand gab es an die 50 Regierungen, die es alle nicht schafften, Portugal aus der Dauerkrise herauszumanövrieren. Das Militär, das sich seiner Macht immer stärker bewusst wurde, stand seit Anfang der 20er Jahre nicht mehr hinter der Republik. Am 28. Mai 1926 erhob sich die Garnison von Braga unter Führung des Generals Gomes da Costa und marschierte nach Lissabon. Der amtierende Präsident Bernadino Machado setzte einen der Aufständischen als Ministerpräsidenten ein, doch nach kurzer Zeit wurde er von Gomes da Costa persönlich weggeputscht. Aber selbst dieser konnte sich nur einen Monat im Amt halten und wurde vom Militär durch António Carmona ersetzt, der sich 1928 zum Präsidenten Portugals wählen ließ (Camora blieb bis 1951 im Amt). Doch die Militärs waren ohne ein erkennbares und tragfähiges Regierungskonzept angetreten einzig erklärtes Ziel war es, dem "Unsinn" der Republik ein Ende zu setzen.


Salazar
Da trat zum ersten Mal der Mann in Erscheinung, der für fast 50 Jahre die Führung Portugals übernehmen sollte, António de Oliveira Salazar, Professor für Nationalökonomie in Coimbra. Er wurde 1928 zum Finanzminister ernannt, als der Plan des Staatspräsidenten in Portugal zunehmend auf Widerstand stieß, die Finanzen mit Hilfe eines großen Darlehens des Völkerbundes zu sanieren. Salazar traute sich die Sanierung der portugiesischen Staatsfinanzen auch ohne Unterstützung des Auslands zu. Salazar bescherte den Portugiesen eine faschistische Diktatur ein düsteres Kapitel der portugiesischen Geschichte. Über Jahrzehnte konnte sich dieser harte, unbeugsame Mann, der in seiner kompromisslosen Art oft als "unportugiesisch" empfunden wurde, mit Hilfe einer skrupellosen Geheimpolizei, der PIDE (aufgebaut unter Mitarbeit der Gestapo), an der Macht halten.
Makaberer Höhepunkt der Politik unter Salazar und gleichzeitig der sinnbildliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war der sinnlose Buschkrieg in den übrig gebliebenen afrikanischen Kolonien seit Anfang der 60er Jahre, der letztendlich den Sturz des Regimes zur Folge hatte.
Nur ein Argument könnte man für Salazar in die Waagschale werfen: In der Anfangsphase seiner Herrschaft hat er es geschafft, Portugal aus dem wirtschaftlichen Chaos zu führen und das Land finanziell weitgehend unabhängig vom Ausland zu machen. Allerdings war die wirtschaftliche Konsolidierung nicht von Dauer und fußte zudem auf einem äußerst repressiven Staatsapparat, der massiv gegen Oppositionelle und Andersdenkende jeglicher Couleur vorging (s. u.).


Der Weg aus dem Chaos die Stabilisierung
Salazars Grundkonzept war es, keine weitere Auslandsverschuldung zuzulassen, wie es in der Vergangenheit gerne als Ausweg aus dem drohenden Staatsbankrott praktiziert worden war.
Salazar begann seine politische Karriere als Finanzminister mit nahezu unbeschränkten Befugnissen. Diese Vollmachten hatte er bekommen, weil er bei den führenden Militärs einen sehr guten Ruf hatte und außerdem niemand sonst für diesen verantwortungsvollen Posten verfügbar war. So hatte er freie Hand, was die Portugiesen schnell zu spüren bekamen. Die Mittel, mit denen er arbeitete, waren äußerste Härte gegenüber dem bis dahin üblichen Behördenschlendrian und eine konsequente Einsparungspolitik. Dies war neu für Portugal bisher hatten die führenden Leute ihre Macht dazu genutzt, sich zu bereichern. Rigorose Stellenkürzungen, Gehaltsminderungen und Verwaltungsreformen jagten einander und auf einmal war wieder Geld da! Im Endeffekt hatte aber der kleine Mann die Zeche zu zahlen. Salazars Politik war großkapitalfreundlich, denn Portugal brauchte die Investitionen. Die Sozialleistungen hingegen wurden großenteils gestrichen, die Steuern für Kleinverdiener erhöht und dergleichen mehr. Allerdings gelang es ihm das Vertrauen der ausländischen Wirtschaft in den Escudo wiederherzustellen, indem er die Währung an das britische Pfund Sterling koppelte. Durch die Abwertung des Pfunds ließ sich das aber nicht lange durchhalten. Doch es war ein Zeichen.


Der Estado Novo
1932 wurde Salazar Ministerpräsident und legte mit einer scheindemokratischen Verfassung den Grundstein zum sogenannten Estado Novo, dem faschistischen Neuen Staat, mit dem die Diktatur praktisch legalisiert wurde: Ständestaat, keine politischen Parteien außer der Einheitspartei, keine Bürgerrechte. Ein beliebtes Mittel, diesen Zustand zu stabilisieren, wurde der großangelegte Wahlbetrug. Zudem hatten nur Portugiesen mit einem bestimmten Mindesteinkommen das Wahlrecht; bis in die 60er Jahre waren das nicht mehr
als 15 % der Gesamtbevölkerung. Wem das nicht passte, der fiel der PIDE in die Hände, und das waren nicht wenige. Pressezensur und Bespitzelung, Konzentrationslager und Folter das waren die Säulen des Staates unter Salazar. Viele Portugiesen verschwanden auf immer hinter Zuchthausmauern.
Salazar brachte den Portugiesen das unmenschliche Regime einer faschistischen Diktatur, die sowohl von Mussolini, als auch von der Diktatur des spanischen Generals Primo de Rivera, später durch Hitler beeinflusst wurde.


Die Verfassung des Estado Novo
Laut Verfassung übte der Staatspräsident die Staatsgewalt aus; in Wirklichkeit war es immer Salazar in seiner Funktion als Ministerpräsident, der das Sagen hatte. Anfangs wurde das Staatsoberhaupt noch durch das wahlberechtigte Volk bestimmt, später durch "zuverlässige" Wahlmänner, damit keine Panne passieren konnte. Der Ministerpräsident bestimmte die Richtlinien der Politik und war dem Parlament nicht verantwortlich. Die Nationalversammlung konnte de facto keinen Einfluss auf Regierungsbildung und Politik nehmen. Gesetze wurden meist durch Regierungserlasse eingeführt. Zudem konnte die Versammlung auch noch jederzeit vom Staatspräsidenten aufgelöst werden. Gewicht hatte allenfalls noch der sogenannte Staatsrat, der den Staatspräsidenten unterstützen sollte und aus 15 "zuverlässigen" Mitgliedern bestand. Neben der Nationalversammlung gab es eine streng hierarchische und nach außen abgeschirmte Korporativkammer, eine ständische Vereinigung der Berufsgruppen. Damit konnte Salazar
die Arbeiterschaft unter Kontrolle halten. Es gab nur die Einheitspartei (União Nacional), aus der die Abgeordneten der Nationalversammlung gewählt wurden. Abweichende politische Gruppierungen wurden verfolgt, z. B. durch die Parteimiliz (Legião Portuguesa), die eng mit der PIDE zusammenarbeitete.



Salazar Franco Hitler
Während des Zweiten Weltkriegs exportierte Portugal das zur Waffenproduktion wichtige Metall Wolfram nach Deutschland, hielt sich aber sonst trotz aller Sympathien für Deutschland neutral. Ein Grund für die Neutralität war, dass man die traditionell guten Beziehungen zu England nicht zerstören wollte. Noch entscheidender aber war die Befürchtung, dass die Kooperation des spanischen Diktators Franco mit Hitler zu einer Besetzung Portugals führen könnte. Salazar versuchte deshalb, um jeden Preis einen Kriegseintritt Spaniens zu verhindern, was ihm letztendlich auch gelang. Dabei kam ihm zugute, dass er während des spanischen Bürgerkriegs (1936 39) durch Portugals aktive Einmischung entscheidend zum Sieg Francos beigetragen hatte. Als sich die Niederlage Deutschlands abzeichnete, schlossen Portugal und Spanien 1943 den sogenannten Bloco Ibérico zur Verteidigung des christlichen Abendlandes gegen den Kommunismus. Im gleichen Jahr überließ Portugal Großbritannien und den USA die Luftwaffenbasis Lajes auf den Azoren. Nach dem Krieg bemühte sich Salazar dann aktiv um eine Anerkennung des international geächteten Franco-Regimes.

Das Scheitern Salazars
Wenige reiche Familien sollten das Land wirtschaftlich beherrschen das war die Grundidee Salazars in Anlehnung an das System, das in vielen Entwicklungsländern Lateinamerikas vorherrscht. In Portugal zählten zu dem Kreis, der die Macht kontrollieren sollte, etwa 150 Personen. Aber in ihrem Bestreben, die Interessen dieser Kapitalgeber zu schützen, versäumte es die Regierung, die Reformen in Angriff zu nehmen, die für eine Weiterentwicklung Portugals in Richtung einer modernen Agrar- und Industrienation dringend notwendig gewesen wären. So zeigte sich beispielsweise auf dem Agrarsektor in den 50er und 60er Jahren immer deutlicher, dass eine Bodenbesitzreform hätte durchgeführt werden müssen. Die wenigen Großgrundbesitzer, die den Löwenanteil des Bodens in den Händen hatten, sträubten sich jedoch dagegen. Vielfach wurde der Boden überhaupt nicht landwirtschaftlich bearbeitet, sondern diente den Reichen als Sommersitz oder privates Jagdrevier. Die halbherzig durchgeführten Regierungsmaßnahmen waren von vornherein zum Scheitern verurteilt, die rückständige Agrarstruktur wurde zum Hemmschuh, der sich finanziell bald stark bemerkbar machte. Eine Enteignung des Großgrundbesitzes wurde erst nach dem Umsturz von 1974 durchgeführt. Ein weiteres Problem war die in den 60er Jahren immens steigende Auswandererzahl von Arbeitern nach Mitteleuropa. Das Ausland konnte wesentlich höhere Löhne zahlen als Portugal, und so wanderten an die 2 Mio. Portugiesen ab, davon allein 160.000 im Jahre 1968 (bei einer Gesamtbevölkerung von weniger als 10 Mio.). Hauptziele der Auswanderer waren Frankreich (allein im Großraum Paris leben 500.000 Portugiesen), Kanada, Venezuela, Südafrika, Brasilien, Deutschland und in den letzten Jahren zunehmend auch Spanien.
Zwar nahm die Industrialisierung in Portugal endlich ihren Lauf, doch mit den niedrigsten Löhnen in ganz Europa. Das System Salazars war den Anforderungen der Zeit nicht gewachsen. Das Großkapital floss teilweise wieder ins Ausland, die roten Zahlen im Staatshaushalt nahmen langsam wieder überhand. Portugal war und blieb das Armenhaus Europas mit einer rückständigen Wirtschaftsstruktur, Niedrigstlöhnen, fast 40 % Analphabeten, der höchsten Kindersterblichkeit und der geringsten Lebenserwartung in Europa. Und das faschistische Regime versuchte, diesen Zustand zu schützen und zu konservieren.


Widerstand gegen die Diktatur
Opposition gegen Salazar und seine Anhänger gab es in Portugal von Anfang an aus den Reihen des Militärs sowie von den republikanischen und kommunistischen Politikern und Intellektuellen. Doch da die Zensur funktionierte, hörte man in den anderen europäischen Ländern nicht viel davon. Viele Gegner des Regimes mussten für Jahre oder gar Jahrzehnte aus Portugal emigrieren. Ernsthaft gefährdet war das Regime so gut wie nie, abgesehen von der Präsidentenwahl 1958, bei der der Oppositionspolitiker General Humberto Delgado fast 30 % der Stimmen bekam. Auch bei dieser Wahl verlief die Manipulation der Stimmen erfolgreich Delgado hatte vermutlich viel mehr Stimmen bekommen; 1965 wurde er beim Versuch illegal nach Portugal einzureisen, von der PIDE ermordet.
Die Folge der Wahlmanipulation waren Demonstrationen an den Universitäten, Streiks und Militärrevolten. 1961 rückten die Zustände in Portugal ins Licht der Weltöffentlichkeit, als Oppositionelle unter der Führung von Kapitän Henrique Galvão das Passagierschiff Santa Maria nach Brasilien entführten.
Doch die Zersplitterung und Uneinigkeit der oppositionellen Kräfte, die von ganz rechts bis ganz links kamen, verhinderten einen Umsturz. Erst die afrikanischen Kolonialkriege brachten die Kraft, die sich bisher abwartend im Hintergrund gehalten hatte, zum Aufstand: das Militär.


Der Krieg in den Kolonien
Und dann kamen für viele überraschend die Unruhen in den Kolonialgebieten Afrikas. Damit wurde die letzte Phase der Diktatur eingeläutet, die sie nicht überleben sollte. Seit langem gärte es in den Kolonien Portugals. Der angestaute Hass der schwarzen Einwohner entlud sich Anfang der 60er Jahre in drei Zentren: 1961 in Angola, 1963 in Guinea-Bissau und 1964 in Moçambique. Zudem eroberte die Regierung Indiens unter Nehru 1961 kurzerhand die indischen Besitzungen Portugals (Goa, Diu und Damão), nachdem Rückgabeforderungen zurückgewiesen worden waren. Die Portugiesen wurden in langwierige Buschkriege gezogen, die militärisch kaum zu gewinnen waren, den Staatsetat jedoch jahrelang erheblich belasteten. Besonders in Guinea-Bissau erlitt Portugal ein militärisches Debakel, das dem amerikanischen in Vietnam nahe kam; dementsprechend wurde Guinea-Bissau als erste afrikanische Kolonie 1974 in die Unabhängigkeit entlassen, während die anderen bis 1975 warten mussten. Die beiden Inselkolonien Cabo Verde und São Tomé e Príncipe waren aufgrund ihrer begrenzten Größe für die Portugiesen leicht zu kontrollieren. In den großen Gebieten Angola und Moçambique konnten sich jedoch die Gegner gut aus dem Weg gehen; somit gelang es keiner Partei, die vollständige Kontrolle über diese Länder zu erlangen.
ie afrikanischen Freiheitsbewegungen, wie z. B. FRELIMO (Frente da Libertação de Moçambique) in Moçambique oder MPLA (Movimento Popular de Libertação de Angola), FNLA (Frente Nacional de Libertação de Angola) und UNITA (União Nacional pela Indepedência Total de Angola) in Angola, bemühten sich um den Aufbau einer intakten Infrastruktur und um Rückhalt bei der Zivilbevölkerung. Gleichzeitig vermieden sie es, große Entscheidungsschlachten auszutragen, und so konnten sie sich jahrelang halten. Bei den portugiesischen Afrikakämpfern wurde die Stimmung dementsprechend schlechter. Europa und die Welt wurden auf den sinnlosen und oft grausamen Kampf der Armee aufmerksam, und die UNO legte Beschwerde beim Regime ein wegen der offensichtlichen Unterdrückung der Afrikaner. Der Krieg zog sich bis in die 70er Jahre und belastete den Staatsetat mit etwa 50 % des Gesamtvolumens jährlich. Er überdauerte auch das Regime Salazars, der 1968, als er sich auf einen Liegestuhl setzen wollte, von diesem fiel und sich beim Sturz ein Blutgerinnsel im Gehirn zuzog. Wenig später erlitt er einen Schlaganfall. Damit wurde die Frage der Nachfolge akut. Er wurde als Ministerpräsident durch Marcelo Caetano ersetzt. Zwei Jahre später starb Salazar fast achtzigjährig.


Caetano
Caetano Salazar
Als Salazar im Alter nicht mehr regierungsfähig war, wurden für den Diktator fiktive Kabinettsitzungen abgehalten, um ihm im Glauben zu lassen, immer noch an der Macht zu sein. Während dieser Zeit hatte Marcelo Caetano bereits die Regierungsgeschäfte übernommen. Eines Tages wurde Salazar in einem Interview gefragt, was er denn von Caetano, damals schon sein Nachfolger, als Ministerpräsident, halte. Salazar antwortete: "Ein fähiger Mann, nur schade, dass er nicht in die Politik gehen will".
Als Professor Marcelo Caetano, langjähriger Mitarbeiter Salazars, Ministerpräsident wurde, hofften viele auf eine Phase der Liberalisierung. Doch nach einigen Ansätzen in diese Richtung, wie z. B. Milderung der Pressezensur und Vertretung der Kolonien im Parlament, wurde klar, dass die eingeschliffenen Machtverhältnisse zu stark waren. Die bisherige Clique von einflussreichen Wirtschaftsleuten bestimmte weiterhin den politischen Kurs Portugals. Auch der Krieg ging weiter, denn einige Leute verdienten gut daran.
1974 war es dann soweit: Einige der ranghöchsten Militärs hatten endlich erkannt, dass der Krieg in Afrika trotz der sturen Haltung der Regierung militärisch nicht zu gewinnen war und nur dem Profit einiger weniger diente. Der bekannteste Vertreter dieser Militärs wurde General António de Spínola. Hinzu kam die immer heftiger werdende antiportugiesische Kampagne in Europa. Die portugiesische Armee wurde brutaler Übergriffe auf die afrikanische Bevölkerung bezichtigt, und das Regime bekam empfindliche außenpolitische Schelte. Im Februar 1974 wurde General Spínola nach der Veröffentlichung seines Buchs Portugal e o Futuro zusammen mit seinem Vorgesetzten, Generalstabschef Costa Gomes, entlassen.


Die Nelkenrevolution
Ein Streit um die Beförderungsregeln war 1974 der Auslöser für die Gründung des Movimento das Forças Armadas (MFA). Schnell wurde aus der Gemeinschaft der Hauptleute eine Plattform für den Widerstand gegen den Kolonialkrieg. Das Erscheinen von Spínolas Buch Portugal und die Zukunft und die folgende Entlassung der beiden Generäle taten ein weiteres, um die Soldaten gegen das Regime aufzubringen. Der erste Aufstandsversuch, der am 16. März von Caldas da Rainha ausging, schlug allerdings fehl. Doch als der kirchliche Rundfunksender Rádio Renascença kurz nach Mitternacht des 25. Aprils 1974 das verbotene Revolutionslied "Grandola, Vila Morena" des Liedermachers José "Zeca" Afonso, das vereinbarte Startzeichen für den Putsch, spielte, gab es kein Zurück mehr. In Santarém setzte sich unter Führung des jungen Hauptmanns Salgueiro Maia die Escola Prática da Cavalaria (EPC) in Richtung Lissabon in Bewegung. Flughafen, Zufahrtsstraßen, Regierungsgebäude, Rundfunkanstalten, öffentliche Plätze alles wurde besetzt. Caetano hatte sich in der GNR-Kaserne im Stadtteil Carmo verschanzt, ergab sich aber nach langen Verhandlungen General Spínola.
Einzig das Hauptquartier der PIDE im Chiado leistete noch Widerstand, während im Inneren Akten vernichtet wurden. Hier gab es mit vier Toten und 45 Verletzten die einzigen Opfer. Andere Geheimpolizisten ergriffen die Flucht. Etliche konnten sich nach Spanien absetzen.
Das Großkapital versuchte noch in letzter Minute, Geld außer Landes zu bringen einige Koffer voller Escudos konnten auf dem Flugplatz abgefangen werden.
Die Bevölkerung steckte den Soldaten rote Nelken in die Gewehrläufe, daher ging der 25. April auch als "Nelkenrevolution", Revolução dos Cravos, in die Geschichte ein.
Tagelang feierte man den Beginn der neuen Ära. Spínola wurde vom MFA zum Chef der siebenköpfigen Militärjunta ernannt und kurz darauf zum Staatspräsidenten. Eine provisorische Regierung wurde eingesetzt, das Militär aber behielt die Macht in Händen. Sofort leitete man ein Programm in die Wege: Vorbereitung freier Wahlen innerhalb eines Jahres, Bürgerrechte, Auflösung der Geheimpolizei, Freilassung aller politischen Gefangenen, Beendigung des Krieges in Afrika.
Doch schon in der Nacht zum 26. April stellten sich Differenzen ein. Spínola war rechtsgerichtet, während der MFA in der Mehrheit kommunistisch war. Man war sich zwar darüber einig gewesen, das Salazar-Regime zu beseitigen, aber nicht darüber, wie es weitergehen sollte. Spínola konnte sich nicht durchsetzen. Das Ruder übernahm eine Linksregierung, die vom MFA gelenkt wurde. Schon im Mai wurden Verhandlungen mit Cabo Verde, São Tomé e Príncipe, Guinea-Bissau, Moçambique und Angola eingeleitet, die den ehemaligen Kolonien die volle Unabhängigkeit brachten. Dies hatte zur Folge, dass tausende Portugiesen aus den Kolonien nach Portugal zurückkehrten. Das Mutterland hatte nicht die Kapazitäten, um die Retornados unterzubringen. Sie wurden in angemieteten Hotels untergebracht. Ihre Eingliederung in die Gesellschaft sollte noch Jahre dauern.
Im Juli 1974 wurden die Linken durch die Ernennung des MFA-Oberst Vasco dos Santos Gonçalves zum Ministerpräsidenten wesentlich gestärkt. Es wurde der COPCON (Comando Operacional do Continente) gegründet, der unter Leitung des Drahtziehers des Putsches, Hauptmann Otelo Saraiva de Carvalho, bald Polizeiaufgaben übernahm. Spínola wollte nicht zurückstecken und verlangte Sondervollmachten, die die Junta Nacional de Salvação verweigerte. Am 30. September zog Spínola die Konsequenzen und trat zurück. Sein Nachfolger wurde General Costa Gomes.
Den endgültigen Sieg der Linken verursachte Spínola selbst durch seinen dilettantischen Rechtsputsch am 11. März 1975. Die schlecht organisierte Militärrevolte wurde im Keim erstickt. Spínola, der Held der portugiesischen Revolution, musste nach Brasilien emigrieren.
Der Movimento das Forças Armadas/MFA wurde durch die geglückte Niederschlagung des Rechtsputsches wesentlich gestärkt. Er sah sich selbst als Garant der Revolution und behielt sich deshalb das Recht vor, zunächst die Macht zu verwalten, um sie dann nach der Konsolidierung den Parteien zu übergeben. Ein sogenannter Revolutionsrat mit 25 Mitgliedern, ausschließlich aus den Reihen der Militärs, wurde
als oberstes Führungsgremium einberufen. Die politischen Parteien mussten sich diesem System beugen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollten, verboten zu werden. Sie wurden vom MFA mit Misstrauen beobachtet. Nach den Vorstellungen der Offiziere des MFA sollte Portugal ein sozialistischer Staat werden. Noch im März 1975 wurden deshalb Banken, Versicherungsgesellschaften und Schlüsselindustrien verstaatlicht.


Die Agrarreform
Ein Schwerpunkt der neuen Regierungspolitik wurden die von vielen seit Jahren ersehnten Agrarreformgesetze, die im Sommer 1975 eingeleitet wurden. In mehreren Gesetzen versuchte man von März 1975 bis Januar 1976, die ungenutzten Ländereien der Großgrundbesitzer für die Bebauung nutzbar zu machen.
Enteignet wurden diejenigen Eigentümer, die Teile ihres Besitzes hatten brachliegen lassen. Insbesondere im Alentejo wurden Enteignungen im großen Stil durchgeführt. Hier waren 90 von 100 Bauern bisher besitzlose Landarbeiter gewesen, die sich als Tagelöhner auf den ausgedehnten Latifundien der Grundherren verpflichten ließen. Mehr als 2,50 bis 5 € pro Tag waren damit nicht zu verdienen.
Im Zuge der Reform wurden etwa 1 Mio. Hektar anbaufähiger Boden an die Landarbeiter vergeben. Es bildeten sich an die 400 landwirtschaftliche Kooperativen, die der Macht der Großgrundbesitzer etwas entgegensetzen wollten. Wenn überhaupt irgendwo, dann zeigte sich hier in der Bildung der Produktionsgemeinschaften so etwas wie revolutionärer Elan. Viele ausländische Besucher statteten ihnen in den 70er Jahren Besuche ab.
Doch wie in vielen anderen Bereichen, so wurde auch im Agrarsektor die Revolution wieder begraben. Ende der 70er Jahre begann die schleichende Rücknahme der Agrarreform mit der Verabschiedung von Gesetzen, die die Grenze für privaten Grundbesitz immer weiter nach oben verschoben und so die Grundlage für eine Enteignung der Kooperativen bildeten, die z. T. mit Polizeigewalt vertrieben wurden. Die bürgerliche Mitte konnte sich nach den ersten nachrevolutionären Wirren wieder gegenüber der Linken durchsetzen. Zu diesem Wechsel der politischen Richtung trug auch die chaotische Wirtschaftslage in Portugal bei, die nach dem Putsch für Unruhe sorgte. Inflation, Preiserhöhungen und die Angst vor einer kommunistischen Diktatur sorgten für den Abzug von ausländischem Kapital.


Zwischen Kommunismus und Demokratie
Genau ein Jahr nach der Nelkenrevolution, am 25. April 1975, zeigte sich die neue politische Richtung in den Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung. Der MFA erlebte seinen ersten Misserfolg: Die meisten Portugiesen entschieden sich gegen die Kommunisten des PCP unter Álvaro Cunhal (und damit gegen den MFA), die nur 12,5 % der Stimmen erhielten, und befürworteten die Errichtung einer parlamentarischen Demokratie. Die Parteien der Mitte, die Sozialisten/PS (37,8 %) und die Demokratische Volkspartei/PPD aus der später die Sozialdemokratische Partei PSD hervorging (26,3 %), gewannen die Wahlen.
Die ersten Zusammenstöße zwischen den bürgerlichen Parteien auf der einen und dem MFA und der kommunistischen Partei auf der anderen Seite ließen nicht lange auf sich warten. Im Mai griffen die linken Setzer mit Hilfe des COPCON in die redaktionelle Gestaltung der den Sozialisten nahe stehenden Zeitung República ein. Daraufhin traten die Minister des PS und des PPD von ihren Ämtern zurück. Das Mehrparteienbündnis war gescheitert. Nur noch von den Kommunisten gestützt bildete Vasco Gonçalves eine neue Regierung, doch nun regte sich auch innerhalb des MFA Widerstand. Unter Federführung des gemäßigten Melo Antunes wurde das Dokument der Neun veröffentlicht, das Gonçalves' Pläne zur Errichtung eines kommunistischen Staates scharf kritisierte. Das Dokument fand innerhalb des MFA bald eine breite Unterstützung. Ende August wurde Vasco Gonçalves durch Pinheiro de Azevedo ersetzt.
Nun geriet Portugal völlig ins Chaos. Im verão quente, dem sogenannten "Heißen Sommer", beherrschten Putschgerüchte, Streiks, Bombenattentate und Blockaden das Land. Es kristallisierte sich immer mehr eine bipolare Gesellschaft heraus. Das eine Lager bestand aus den Kommunisten, die vor allem von den alentejanischen Landarbeitern und dem städtischen Industrieproletariat gestützt wurden, das andere Lager vereinigte die bürgerlichen Parteien, die katholische Kirche, den Mittelstand und die Arbeiter aus dem Norden. Das Land stand kurz vor einem Bürgerkrieg. Es fehlte nur noch der Anlass für einen linken Putsch.
Nachdem es Anfang November zu ersten Ausschreitungen gekommen war, putschten am 25. November linksgerichtete Militärs, die dem COPCON-Führer Otelo, welcher kurz zuvor seines Amtes als Stadtkommandant von Lissabon enthoben wurde, nahe standen. Dieser und der PCP distanzierten sich
aber unmittelbar vor den Ereignissen vom Putsch. Der Aufstand wurde von den Operacionais unter der Leitung von Ramalho Eanes niedergeschlagen. Die Gefahr eines Bürgerkrieges war gebannt. Der revolutionäre Prozess näherte sich seinem Ende.
Als sich die politische Situation stabilisierte floss auch wieder ausländisches Kapital ins Land.


Die Demokratie
Die Verfassung von 1976 stellte einen Kompromiss zwischen parlamentarischer Demokratie und sozialistischer Wirtschaftsordnung dar. Der Revolutionsrat blieb zwar bestehen, doch wurden seine Befugnisse stark eingeschränkt. Der Staat sollte sich allmählich zu einer sozialistischen Gesellschaft wandeln, in der die Macht von den Arbeitern auf demokratischem Weg ausgeübt wird. In einer Agrarreform sollte Großgrundbesitz enteignet werden. Auch die Industrie sollte Schritt für Schritt verstaatlicht werden.
1976 folgte eines der traurigsten Kapitel der portugiesischen Kolonialgeschichte: In Osttimor bekämpften sich rivalisierende Unabhängigkeitsbewegungen; Indonesien nutzte die Gelegenheit und besetzte das Gebiet. In knapp 25 Jahren Terrorherrschaft wurden dort fast 50 % der timorensischen Bevölkerung ausgerottet. Ein Drama, das weitgehend an der Weltöffentlichkeit vorbeiging, auch wenn immer wieder Berichte über Massaker oder die Verleihung des Friedensnobelpreises an Bischof Ximénes Belo und Ramos Horta den Blick der Medien auf die Inselhälfte lenkten. 1999 entschieden sich die Timoresen für die Unabhängigkeit, in die sie 2001 nach zwei Jahren Administration durch die UN entlassen wurden.
Bei den ersten Parlamentswahlen am 25. April 1976 (genau zwei Jahre nach der Nelkenrevolution) siegten erneut die Sozialisten/PS mit 34,8 %; die Demokratische Volkspartei/PPD erreichte 24,3 %, gefolgt vom konservativen Sozialdemokratischen Zentrum/CDS mit 15,9 % und der Kommunistischen Partei/PCP mit 14,4 %. General Ramalho Eanes wurde zum Präsidenten gewählt. Premier-Minister wurde der Chef des PS, Mário Soares, der mit einer Minderheitsregierung die Staatsgeschäfte führte. Die Verstaatlichungen wurden gestoppt und die freie Marktwirtschaft eingeführt.
Zwischen den Jahren 1976 und 1987 waren insgesamt elf Regierungen an der Macht. In diesem Zeitraum wurden unter Ausschluss der Kommunistischen Partei alle möglichen Konstellationen von Mehr- und Minderheitsregierungen ausprobiert. 1980 kam der damalige Ministerpräsident Francisco Sá Carneiro (PPD/PSD) bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Nach insgesamt fünf parlamentarischen Untersuchungskommissionen konnte bis heute nicht geklärt werden, ob es sich um einen Unfall oder ein Bombenattentat handelte.
Eine erste Verfassungsrevision beendete 1982 schließlich die Existenz des Revolutionsrates. Er wurde durch ein wesentlich gemäßigteres Verfassungstribunal ersetzt. Auf Drängen der Wirtschaft wurde außerdem die Gründung privater Banken und Versicherungen erlaubt. Der MFA war bereits vorher aufgelöst worden.


Der EG-Beitritt
Nach dem Sieg bei den Parlamentswahlen 1983 wurde der Sozialistenführer und spätere Staatspräsident Mário Soares zum zweiten Mal Ministerpräsident. Eine der Hauptaufgaben der neuen Regierung waren die Verhandlungen über einen Beitritt Portugals zur EG. Am 12. Juni 1985 wurden die Verträge zur Aufnahme Portugals und Spaniens unterzeichnet, seit 1. Januar 1986 sind beide Länder Mitglied der EG (bzw. EU). Soares und die Sozialisten konnten jedoch die Früchte ihres Erfolges nicht mehr ernten: Am 25. Juni 1985 zerbrach die Koalition von Sozialisten/PS und Sozialdemokraten/PSD;
am 6. Oktober erlitten die Sozialisten eine verheerende Niederlage bei den Parlamentswahlen. Von ihren 101 Parlamentssitzen blieben ihnen lediglich 54. Wahlsieger waren die Sozialdemokraten/PSD unter dem neuen Ministerpräsidenten Professor Aníbal Cavaco Silva, die mit 88 Sitzen fortan regierten. Die Präsidentschaftswahlen im Jahr 1986 gewannen jedoch die Sozialisten. Mário Soares wurde Nachfolger des linkspopulistischen Generals Ramalho Eanes (PRD) und blieb bis zum Ablauf der zweiten Amtszeit 1996 Präsident, da er 1991 mit Unterstützung von PS und PSD mit 70,4 % wiedergewählt wurde.


Die Ära des Cavaquismo
Der Sozialdemokratischen Partei gelang es bei den Parlamentswahlen von 1987 erstmals, eine absolute Mehrheit zu erringen und ohne Koalitionspartner zu regieren. Die Zeit von 1985 bis 1995 wird als Ära des Cavaquismo nach dem portugiesischen Ministerpräsidenten Aníbal Cavaco Silva (PSD) bezeichnet. Ihm gelang es, Portugal in eine moderne Industriegesellschaft zu überführen. Zusammen mit den Sozialisten brachte der PSD 1989 die für eine Verfassungsreform notwendige Zweidrittelmehrheit zusammen. Die Staatsbetriebe wurden reprivatisiert, die arbeitnehmerfreundliche Arbeitsschutzgesetzgebung wurde auf den europäischen Binnenmarkt zugeschnitten; den Begriff Agrarreform strich man aus der Verfassung, das noch in Staatsbesitz verbliebene Land wurde in den kommenden Jahren den Kooperativen entzogen und in private Hände zurückgegeben.
1989 mussten die Sozialdemokraten bei den Europawahlen große Verluste hinnehmen; dennoch gewannen sie 1991 die Parlamentswahlen mit der knappen absoluten Mehrheit von 50,6 %.
Als Folge der Amtszeit Cavaco Silvas ist die Umorientierung zu einer ausgeprägten Leistungsgesellschaft und die Verschärfung der sozialen Gegensätze zu kritisieren. Der wirtschaftliche Aufstieg Portugals und die Verbesserung der Infrastruktur, finanziert durch Milliardensummen von EU-Geldern, kamen vor allem der Mittel- und der Oberschicht zugute. Die Armen sind weiterhin arm, und Portugal kann sich der traurigen Tatsache rühmen, die größten Einkommensdisparitäten Europas zu haben. In den letzten Jahren des Cavaquismo erlebte Portugal zudem eine extreme Steigerung der Kriminalitätsrate, deren Ursache neben der sozialen Diskrepanz der steigende Drogenkonsum war.


Die neue Mehrheit
Nach den großen Verlusten der Sozialdemokraten bei den Europawahlen 1989, gewannen sie dennoch 1991 knapp die Parlamentswahlen. 1995, nach zehn Jahren als Regierungspartei, davon acht mit absoluter Mehrheit, hatte der PSD in den Augen der Portugiesen jedoch ausgedient. Ministerpräsident Cavaco Silva ahnte wohl die kommende Niederlage, denn zum Entsetzen seiner Partei kündigte er Anfang 1995 an, nicht mehr zu kandidieren. Sein Nachfolger als Parteivorsitzender, der wenig charismatische Fernando Nogueira, bekam bei den Parlamentswahlen am 1. Oktober 1995 die Quittung: Der PSD fiel um 16 Prozentpunkte auf 34 %. Deutlicher Gewinner dieser Wahlen waren die Sozialisten unter António Guterres, die mit 43,9 % (1991: 29,1 %) die absolute Mehrheit der Sitze nur knapp verfehlten. Da die Oppositionsparteien nicht in der Lage waren, sich auf eine gemeinsame Gegenpolitik zu verständigen, konnten die Sozialisten mit ihrer knappen, relativen Mehrheit von 112 von 230 Sitzen regieren.
Bei den Präsidentschaftswahlen am 14. Januar 1996 wurde der langjährige Bürgermeister von Lissabon, der Sozialist Jorge Sampaio, zum neuen Präsidenten gewählt. Er konnte sich mit 53,8 % der Stimmen klar gegen seinen Gegner Aníbal Cavaco Silva (PSD) durchsetzen, der nur 46,2 % erhielt. Zum ersten Mal in der Geschichte Portugals waren damit gleichzeitig Regierungs- und Präsidialmacht in sozialistische Hände gelegt. Dazu kam noch, dass auch die drei wichtigsten Städte Lissabon, Porto und Coimbra von Sozialisten regiert wurden. Die Nova Maioria (Neue Mehrheit), dies war der Slogan des PS bei den Parlamentswahlen von 1995, beherrschte so fast alle wichtigen politischen Gremien.
Jorge Sampaio konnte sich in den Wahlen im Jahr 2001 klar behaupten. Auch António Guterres verbesserte 1999 sein Wahlergebnis, sodass aus der Minderheitsregierung eine Pattsituation im Parlament entstand.
Als Konsequenz der schlechten Wahlergebnisse trat PSD-Parteichef Fernando Nogueira Anfang 1996 zurück, sein Nachfolger wurde der Jura-Professor Marcelo Rebelo de Sousa. So war endgültig der Wechsel zu einer neuen Politikergeneration vollzogen, welche die Politikergarde des 25. April 1974 abgelöst hat. Der reibungslose Übergang lässt keine Zweifel daran, dass sich die Demokratie in Portugal endgültig etabliert hat und von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wird.
Nach einigen Skandalen und dem relativen Misserfolg der Kommunalwahlen im Dezember 2001 trat Ministerpräsident Guterres überraschend zurück. Die Neuwahlen fanden am 17. März 2002 statt. Wahlgewinner ist wie erwartet die Opposition mit dem neuen Ministerpräsidenten Durão Barroso (40,12%), jedoch nicht mit der erhofften absoluten Mehrheit. Im Gegenteil liegt sie nur knapp vor der PS (37,8%) mit ihrem neuen Parteichef Ferro Rodrigues, der sich in kurzer Zeit profilieren konnte und als heimlicher Gewinner dieser Wahl gehandelt wird. Die PSD regiert nun in Koalition mit der rechtslastigen Christdemokratischen Partei CDS-PP und einer recht knappen Mehrheit. Die größten Verlierer sind die Kommunisten, die noch nicht einmal die 7% schafften. Die neue Regierung, allen voran die neue Finanzministerin Manuela Ferreira Leite kündigen nun schon einmal tiefgreifende und drastische Sparmaßnahmen auf allen Gebieten an, um dem Haushaltsdefizit entgegenzuwirken.